Der große Trend zurück zum analogen Sound

Die Musikindustrie im Bereich der Euro-Racks, verzeichnet in den letzten Jahren sehr hohe, unerwartete Zuwächse. Es ist ein großer Trend zurück zur analogen Musik entstanden, bei der die Erstellung eines Sounds mit echter handwerklicher mühevoller Arbeit zu vergleichen ist, statt mit dem einfachen Klick in einem Software-Plugin am Rechner.

Viele Musiker scheinen der digitale Klangwelt überdrüssig geworden zu sein, in der Klänge und Akkorde einfach per Copy&Paste ausgetauscht werden können und der Musik das unverwechselbare genommen wurde - es fehlt die Einzigartigkeit. Hast du am Euro-Rack hingegen einen Sound kreiert, dann existiert er einmalig auf der Welt an deinem Rack und er kann nicht via Preset inflationär über das Internet millionenfach verteilt werden. Die besondere analoge Einmaligkeit und Unreproduzierbarkeit des Sounds macht das Euro-Rack Format für viele so unglaublich spannend und interessant. Es ist der Aufbruch einer neuen Musik, weit ab vom musikalischen Korsett der traditionellen Musikindustrie.

Im übrigen gehört zu diesem Purismus auch, das wir vornehmlich über Musik und Stimmen in mono reden! Das ist aber auch genau richtig so, denn der Rack-Synthesizer ist grundsätzlich ein einzelnes Instrument, genau wie eine Gitarre oder ein Schlagzeug - dies ist zunächst ebenfalls monaural und muss vom Tontechniker im fertigen Stereobild/Mix platziert und angeordnet werden. Hast du beispielsweise einen Stereosynthesizer der Firma KORG, dann bist du musikalisch dem Stereoverständnis des Hauses KORG unterworfen und genau diesen Zwang hast du im Euro-Rack Format nicht, hier hast du jede Freiheit und machst Musik wie DU sie verstehst.

Digital vs. Analog

Auch wenn die flammende Einführung im vorherigen Abschnitt die analoge Welt als Maß der Dinge hervorhebt, so ist es wie so oft in der Realität, die Mischung aus verschiedenen Welten macht die Musik. Daher ist es so, das die analoge Welt dort zwar tonangebend ist, jedoch ohne digitale Komponenten ebenfalls nicht auskommt. Wenn es darum geht beispielsweise Samples abzuspielen oder Sounds aufzuzeichnen, dann kommt auch hier der Musiker nicht um digitale Module herum. Dennoch bleibt die Klangerzeugung und auch die Synthese vorwiegend in analoger Hand - denn genau das wollen ja viele.

Im Bereich der Euro-Racks geht es um analoge Musik ohne wenn und aber! Zusätzlich (kann)wird der kreative Prozess mit digitalen Modulen unterstützt, beispielsweise durch das Sequenzing, Recording oder Sampling. Der Einfluss der Digitaltechnik soll daher auf ein Minimum reduziert werden. Aber: Es ist natürlich ebenfalls möglich, ein vollständig digitales Rack zu erstellen - alles ist mit dem modularen System möglich und erwünscht.

Es ist aber durchaus möglich ein voll analoges Euro- und Synthesizer- Rack aufzubauen, das ist überhaupt keine Schwierigkeit, dann musst du jedoch auch auf Module wie Sampler, Recorder oder ähnliches verzichten. Auch viele der Multieffekte fallen dann raus.

Doch nun einige Vorschläge für dich als Einsteiger die du auf jeden Fall durchdenken solltest, wenn du hier einsteigen möchtest.

Einen klassischen Synthesizer bauen

Zunächst liegt es auf der Hand, mit Hilfe des Euroracks, einen ganz klassischen Synthesizer aufzubauen, dazu gehören VCO, Envelope, VCA, VCF, Sequenzer, IO-Interface und ggf. noch ein MIDI-Interface für den Anschluss eines Master-Keyboards. Der Markt bietet für dieses Feld unglaublich viele verschiedene Module an, das bekannteste ist sicherlich der DARK-ENERGY aus dem Hause DOEPFER, der bereits eine vollständige Synthesizer-Stimme mit VCO, VCA und VCF darstellt - und zudem noch sau gut klingt (der A-111-5 aka DARK ENERGY ist weltweit berühmt für seinen Klang). Der DOEPFER A-111-5 bietet zudem noch zwei LFO die für verschiedene andere Aufgaben oder für SelfPatching verwendet werden können.

Analoge Synthesizer sind in der elektronischen Musik extrem begehrt, denn sie klingen echt fett! Netter Nebeneffekt, sie stürzen nicht ab oder benötigen Firmwareupdates so wie ihre schwachbrüstigen digitalen Kollegen ;)

Zwar existieren auch Stereosynthesizer-Module aber grundsätzlich findet die Klangerzeugung im Mono-Format statt. Möchtest du deinen Synthesizer polyphon (mehrstimmig) spielen, dann brauchst du auch mehr Synthesizer-Stimmen. Wolltest du also einen Akkord mit drei Noten spielen bräuchtest du folglich vom eingangs erwähnten DOEPFER A-111-5 auch drei Module. Aber keine Panik es geht auch preiswerter und paraphon mit dem kleineren Bruder DOEPFER A-111-6.

Ein Sampling Rack bauen

Oder wie wäre es mit einem Sampler oder Sample-Player? Sofern deine Vorlieben im Bereich des Samplings liegen, könnte dich das modulare Angebot an Samplern und Sample-Playern fast erschlagen. Es gibt unglaublich viele Hersteller die alle möglichen Module in diesem Bereich produzieren. Im Gegensatz zum Desktop-Bereich, haben diese Module teilweise total verrückte neue Funktionen aber auch klassische Sampler sind dabei. Der Squarp Rample oder der Erica Synths Drum Sampler sind exzellente Module mit denen verrückte Sounds kreiert werden können - übrigens: lass dich bitte nicht vom Produktnamen Drum Sampler täuschen, es ist ein echter Sampler wie man ihn auch im Desktopbereich kennt.

Das Sampling-Rack ist ein meist vollständig digitales Rack mit dem du Sounds oder Songpassagen digital verarbeitest. Neben den eigentlichen Samplern und Sampleplayern, ist ein IO-Modul wichtig, zum Beispiel das 4ms Listen IO, denn du willst ja Klänge von externen Quellen aufnehmen oder an externe Quellen ausgeben. Das IO-Modul passt den normalen Line-Pegel (etwa 100mV) auf modular Pegel (5V) an und umgekehrt, damit ist die Verbindung zu externen Quellen mit den Euro-Rack möglich. Versuchst du das Rack ohne IO-Modul an die Stereoanlage anzuschließen, wirst du Vatis HiFi Turm sicherlich gnadenlos zu Brikett grillen ;)

Tipp: jetzt könntest du dich fragen: "dieser hohe Spannungspegel ist doch großer Mist"... Nein, ist er nicht, denn durch diesen hohen Pegel werden die Audiosignale extrem störsicher gegen elektromagnetische Felder - das ist ein nicht zu verachtender Vorteil und auch der Grund, warum du mit deinem Smartphone unbedenklich neben deinem Rack telefonieren kannst ohne das das Audiomaterial leidet ;)

Im übrigen haben Sampler einen extrem großen Vorteil den viele in ihrer Betrachtung übersehen, denn Sampler müssen nicht gestimmt werden, während du die analoge Sythie-Stimme vor fast jedem Gebrauch, wie eine E-Gitarre stimmen musst, kannst du dir das beim digitalen Sampler ersparen. Wolltest du eine Gitarre spielen, dann nimm dir mit einem Mobilrekorder einfach ein paar Saitenanschläge auf der Gitarre als Sample auf, leg die SD-Karte in dein Sample-Rack ein und schon kann dein Euro-Rack Gitarre spielen - genial oder?

Ein geniales Droning Rack bauen

Das so genannte Droning ist speziell im Euro-Format bekannt, da es meist nur in diesem Segment solche Spezialmodule wie Zufallsgeneratoren (z.B. Mutable Instruments Marbles), Radios oder ähnliches gibt. Mit dem Droning werden oft schwebende, sich stetig verändernde Sounds und Klangteppiche kreiert. Teilweise werden auch sehr drastische und kaputte Klangflächen erzeugt die einen dystopischen Character haben.

Droning-Racks werden nicht von einem Musiker im klassichen Sinn gespielt, vielmehr entwickelt sich der Sound im Rack von selbst, auf Basis verschiedener zufälliger Ereignisse oder mathematischer Verfahren - nur ab und zu erzeugt der Musiker einen Event über Interfaces, um bestimmte klangliche Ereignisketten auszulösen. Die entstehenden Sound sind niemals identisch und ständig anders - sie sind einmalig.

Das Droning ist sehr beliebt denn es entstehen unerhörte Klangwelten die es zuvor noch nicht gab. Im Gegensatz zu den digitalen Kammeraden, sind die entstehenden Klänge niemals gleich, sie sind immer anders. Hast du allerdeings einen Sound gefunden, kannst du ihn leider nicht wie ein Preset speichern, du musst ihn mit einem Recorder, zum Beispiel dem 4ms WAV Recorder, aufzeichnen und ggf. dann als Sample weiter verarbeiten - genau das macht diese Sounds so einmalig und rar.

Im übrigen leben Dronings von langen Reverbs und Delays, ohne diese Module kommst du nur schwer in diesem Segment voran.

Wenn Droning dein Ding ist, dann solltest du dich mit Resonatoren, Texture-Synthesizern, Granular-Stimmen, LFOs, Clock-Dividern, Zufallsgeneratoren oder Eingabeinterfaces auseinandersetzen - denn die wirst du neben der regulären Stimme (dies kann auch ein Sampler sein) des Racks brauchen.

Ein Effekt-Rack für die Musik kreieren

Etwas weniger anzutreffen aber dennoch eine Stilrichtung ist das reine Effektrack. Es gibt Musiker die das Eurorack als reine Effektmaschine verwenden, um ihre Sounds anzureichern oder einzigartig zu machen. Dabei werden Musikinstrumente mit geeigneten IO-Modulen (z.B. 4ms Listen Four) in das Rack eingespeist, um dann mit Effekten angereichert an die PA abzugeben.

Sind Effekte dein Ding, dann solltest du dich mit den vielen Effektmodulen beschäftigen und auch mit IO-Modulen für Instrumenten-Pegel, denn der unterscheidet sich von Linepegel und auch vom Modul-Pegel. Soll das Rack via Fußschalter mit MIDI-Signalen Effekte steuern, werden MIDI-Module interessant sein.

Ein Recording and Mixing Rack für das Studio bauen

Für das Mastering, Mixing und Recording stehen unglaublich gute Module im Eurosegement bereit. Solche Racks lassen sich wunderbar in eine bestehende PC Umgebung integrieren oder auch als Standalone-System betreiben ohne PC. Es gibt fantastische Kompressoren mit Röhren oder Spectrum-Prozessoren zum aufwerten des Stereomixes.

Im Bereich des Euro-Racks betrittst du vornehmlich eine analoge Welt, die sich in einem High-End HiFi-Segment bewegt. Viele Nutzer legen besonderen Wert auf vollständig analoge Verarbeitung die ohne digitale Chips auskommt. Der Sound ist weniger steril und durchaus organisch - zudem ist der entstehende Sound das Ergebnis einer handwerklichen Arbeit statt eines Plugins am Rechner.

Ein Sound-Design Rack zusammenstellen

Wenn du in großen Filmproduktionen fantsastische neuartige Sounds und Klangwelten hörst, dann stammen diese höchstwahrscheinlich aus einem EuroRack eines Sound-Designers. Das Sounddesign ist die wohl bekannteste und größte Disziplin im Euro-Rack Bereich, denn genau dafür ist das Rack und die vielfältige Auswahl an Modulen wie gemacht. Es gibt keine Restiktionen, denn alles was du dir klanglich vorstellen kannst, kannst du mit dem Rack bauen. Gerade auch experimentelle Sound-Tüftelein sind möglich, bei denen eher durch zufällige Konstellationen interessante Sounds entstehen.

Auch hier gilt: Hast du einen tollen Sound gefunden, dann kannst du ihn leider nicht wie ein Preset speichern, denn alles ist (meist) analog! Du musst solche handwerklichen Ergebnisse mit einem hochwertigen Rekorder aufzeichnen. Der 4ms WAV Recorder nimmt beipsielweise 96kHz 24Bit auf - der ist ideal!

Für das Sound-Design sind Oszillatoren, Filter, Ringfilter, BitCrusher, Granular-Prozessoren, Resonatoren, Texture-Synthesizer aber auch WAV-Samples wichtig. Grundsätzlich solltest du einen Blick auf alle Klangquellen, Effekte und Modulationsquellen werfen die der Markt so anbietet.

Hands on, total verrückt, jeder Knopf hat eine Funktion

An dieser Stelle möchte ich dir noch einen anderen Aspekt vorstellen, der zunächst mit der musikalischen Ausrichtung nichts zu tun hat. Viele Musiker wechseln in das Lager der analogen Musik, da sie oft von den schrecklichen Menüs digitaler Instrumente genervt sind, bei denen du Funktionen erst in der letzten Menüebene ganz hinten rechts findest. Das kannst du im Euro-Rack natürlich auch so machen wenn du Spass daran hast aber lass dich bitte mal von dem Gedanken tragen, das dies aber nicht sein muss, denn die vielen Rackmodule leben davon, das jeder Knopf exakt eine Funktion hat, nämlich die die auch drauf steht (ich weiß das ist total verrückt). Wenn du dich auf diesen Zauber einlässt, wirst du die verflixten Menüs irgendwann nicht mehr vermissen - die Bedienung der meisten Module ist daher extrem intuitiv und fördert den musikalischen Flow. Wir kommen dadurch zu einem natürlichen Verhalten zurück und versuchen die Welt mal ohne Doppelklick und Swipe-Gesten zu meistern :)

Das ist ja das schöne in der analogen Welt, du drehst einen Knopf und hörst sofort was das mit dem Sound macht, genau so wie an Vatis HiFi-Turm - keine Menüs, kein Doppelklick, kein Schnickschnack kein Bullshit.

Fazit

Machen wir uns nichts vor - der Start in das modulare System ist teuer aber welches Hobby ist denn wirklich preiswert? Dennoch lohnt es sich, denn du baust einen unglaublichen Skill in Sachen Musiktheorie, Audio- und Tontechnik auf, zudem sind alle deine Kreationen oder Musikstücke absolute Unikate und genau das wird heutztage stark gesucht, du entwickelst dich zu einem sehr begehrten Spezialisten.

Zudem unterscheidet sich deine musikalische Handschrift ab sofort von den hinlänglich bekannten Sounds von KORG oder ROLAND - das ist gut.

Du entkoppelst dein musikalisches Schaffen von den Regeln der digitalen Industrie, die für jeden Kauf oder Download eines Plugins deine Seele in Form deiner Daten haben möchte. Du erhälst im Gegensatz analoge Technik die teilweise in hochwertiger Handarbeit produziert wird und auch wirklich nichts mit der üblichen Massenproduktion aus Japan gemein hat. Es ist langlebige Technik die du noch an deine Kinder weitergeben und sogar noch selbst reparieren kannst, statt sie achtlos wegzuwerfen und neu zu kaufen.

Meine persönliche Motivation

Für mich war die Nachhaltigkeit einer der wichtigsten Faktoren. Als langjähriger Musiker hat es mich abgenervt, das man defekte Synthesizer nicht mehr reparieren lassen konnte und wenn doch, sind die Preise derart utopisch hoch, das ich mir davon hätte gleich drei neue kaufen können - das System hinkt vorne und hinten. Zudem befand sich in den letzten Jahren kaum noch innovative Technik an Board der elektronischen Instrumente, die meisten Innovationen erfolgten über Softwareänderungen die sich die Hersteller extrem teuer bezahlen lassen wollten und deren Funktionen in komplexen Menüs mit irrwitzigen Tastenkombinationen versteckt waren.

Die Digitaltechnik macht einen Synthesizer unglaublich komplex und Stromfressend (man denke an die vielen Hitzeprobleme der CPUs in solchen Geräten), hingegen ist der klassische Transistor eines analogen Systems lachhaft günstig herzustellen das dieser Unterschied für mich kaum noch zu rechtfertigen war.

Was mich in den letzten Jahren aber wirklich sehr geärgert hat ist, das die großen Namen kaum noch auf die Wünsche der Kunden eingegangen sind, beispielsweise hat KORG den Monolouge als Desktopsynthesizer mit Stepsequenzer als tolle Innovation herausgebracht und nachdem ich mir das Ding gekauft habe, habe ich festgestellt, das der Stepsequenzer unbenutzbar war - jedweder musikalischer Flow erstarb sobald ich diesen Sequenzer in betrieb nahm. Ab diesem Zeitpunkt war für mich der Ausstieg vorgezeichnet.

UND (bevor ich es vergesse)... Das Euro-Rack ist kein Japanischer-Plastikbomber mit aufgemalter Holzoptik. Sieht etwas am Euro-Rack nach Metall aus, dann ist es auch aus Metall, sieht etwas nach Holz aus, dann ist es auch aus Holz (du weißt was ich meine) - das finde ich richtig gut.

Neben all der faktischen und technischen Betrachtung zu diesem Thema, beeindruckt mich nachhaltig die Intention die hinter vielen Herstellern steckt. Denke ich beispielsweise an Dieter Doepfer, der sein DOEPFER A100 System mit einer unglaublich musikalischen Leidenschaft auf Veranstaltungen vorantreibt, das man nicht das Gefühl hat, dahinter verberge sich ein weltweiter Player des Musik-Business. Ebenso VERMONA, das etwa 15 Köpfige Team im Süden Deutschlands fertigt die exquisiten Module in Handarbeit mit einer enormen Verbundenheit zum Unternehmen und dem Ort in dem es ansässig ist. Ich hatte auch beispielsweise mit dem brasilianischen Unternehmen EMW und dem überaus freundlichen Paulo S.Santos persönlichen Kontakt und wir haben einige technische Schaltungs-Änderungen an einem Modul vorgenommen. All das, kann ich von einem Unternehmen wie KORG oder ROLAND nicht erwarten, zumal sie das Geld dazu hätten.

Das sind meine Gründe für das Euro-Rack in meiner Musik.

Jetzt bist du dran...

https://www.youtube.com/watch?v=zsF1dJAwmP4


von Oliver Lohse